Ein Wasserflughafen wurde in Italien als „Idroscalo“ bezeichnet. Zivile und militärische Wasserflughäfen bzw. Wasserflugplätze gab es besonders in der Zwischenzeit der beiden Weltkriege, zumal ein großer Teil des kommerziellen Flugverkehrs in Italien mit Flugbooten und Wasserflugzeugen abgewickelt wurde. In meinen Recherchen habe ich historische Bilder sogenannter „Idroscali“ sowie die dazugehörigen Navigationskarten („Lagekarten“) ausfindig machen können, nämlich von Pavia, Portorose, Triest, Turin und Venedig.
Der Wasserflughafen in Pavia, der sogenannte „Idroscalo di Pavia“ war ein Wasserflugplatz, der von der ersten italienischen Fluggesellschaft für den Personenverkehr, der „Società Italiana Servizi Aerei“ (SISA), für die Flugstrecke zwischen Turin und Triest betrieben und bedient wurde. Der Wasserflugplatz in Pavia wurde auf der Flugverbindung zwischen Turin und Triest aus strategischen Gründen eingerichtet, um dort mit den Flugzeugen zwischentanken sowie Fracht und Luftpost für das nahegelegene Mailand sortieren zu können. Mit dem Bau des Hangars wurde im Frühjahr 1926 begonnen. Zur Einweihungsfeier am 1. April 1926 erfolgte der Erstflug mit einem kleinen, einmotorigen Doppeldecker, wobei die Route von Pavia bis Venedig und anschließend bis nach Triest verlief. Der Jungfernflug dauerte etwa fünf Stunden und erstreckte sich über eine Distanz von 574 Kilometern. Bereits im Oktober 1926 wurde der Wasserflugplatz in Pavia für die zweite Flugverbindung der SISA genutzt, die von Pavia über Venedig bis nach Zadar im Süden Kroatiens führte.
Abbildung: Wasserflughafen von Pavia (Idroscalo di Pavia)
Quelle: Großer Luftverkehrs-Atlas von Europa, 3. Auflage,
Verlag für Börsen- und Finanzliteratur, Berlin/Leipzig, 1928
Der Flughafen bestand im Wesentlichen aus einem Hangar mit Fenstergalerie an den Seiten, der auf Stahlbetonmasten im Flußbett verankert war. Die Wasserung bzw. das Hangagieren der Flugzeuge erfolgte über eine große Rutsche. Der Wasserflughafen blieb unter der Leitung der SISA vorerst bis zum Jahre 1942 in Betrieb. Als SISA und andere italienischen Fluggesellschaften im Rahmen des Zweiten Weltkrieges auf Befehl von Benito Mussolini militarisiert wurden und in die „Servizi Aerei Speciali“ (SAS) überführt wurden, ist der Wasserflugplatz von der „Società Aerea Mediterranea“ betrieben worden. Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis ins Jahr 1981 war der Flugplatz in Betrieb, wurde dann schließlich offiziell geschlossen. Nach einer ersten Teilsanierung im Jahre 1992 wurde der Hangar im Jahre 1999 von Privatpersonen aufgekauft. Seit November 2017 existiert der Plan, das Bauwerk wiederherzustellen und in ein Restaurant für Touristen umzufunktionieren.
Portoroz gehört heute zu Slowenien und liegt an der östlichen Adriaküste im südlichen Teil des Golfs von Triest. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist Portorose einer der bekanntesten Kur- und Badeorte an der Slowenischen Riviera in Istrien. Nach dem Ersten Weltkrieg und Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie wurde die Istrien durch den Vertrag von Rapallo unter die Kontrolle des Königreichs Italien gestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg - zwischen Mai 1945 und Oktober 1954 - wurde es von der jugoslawischen Armee verwaltet, ging danach an die jugoslawische Zivilverwaltung über und wurde im Jahre 1975 schlußendlich Staatsgebiet von Jugoslawien.
Abbildung: Wasserflughafen von Portoroz (Idroscalo di Portorose)
Quelle: Großer Luftverkehrs-Atlas von Europa, 2. Auflage,
Verlag für Börsen- und Finanzliteratur, Berlin/Leipzig, 1927
Der Wasserflughafen von Portorose, der etwa 25 Kilometer südlich von Triest liegt, wurde bereits Anfang der 1920’er Jahre auf Initiative der Brüder Callisto, Fausto und Alberto Cosulich, Gründer der ersten italienischen Fluggesellschaft „Società Italiana Servizi Aerei“ (SISA), in Betrieb genommen. Die Gebrüder Cosulich - im Slowenischen als Kozulic bezeichnet - waren Inhaber zahlreicher Transportunternehmen sowie der großen österreichisch-ungarischen Reederei „Vereinigte österreichische Schiffahrtsgesellschaften der Austro-Americana und der Gebrüder Cosulich“ („Unione Austriaca di navigazione Austro Americana e Fratelli Cosulich Società Anonima“). Um ihre wohlhabenden Kunden von Triest zu den Hotels in Portorož zu befördern und dabei unbequem lange Autofahrten zu vermeiden, etablierten sie einen ersten Flugdienst. Die Gebrüder Cosulich und ihre Söhne erkannten, wie beliebt diese kurzen Flugreisen waren und beschlossen, ihr Tourismusgeschäft um eine Fluggesellschaft zu erweitern. So entstand im Jahre 1922 die Fluggesellschaft SISA, die zunächst mit nur zwei Flugzeugen operierte, von denen das erste Triest mit Venedig, Mailand und Turin verband und das zweite zwischen Triest und Zadar flog. Später folgten Lussino bzw. Mali Losinj in Kroatien sowie Ancona, Genua und Brindisi.
Abbildung: Lagekarte Wasserflughafen von Portorose
Quelle: Guide Aéronautique International („Atlas Aéronautique“),
Imprimerie Crété S.A., Paris, 1931
Am Wasserflughafen in Portorose, dessen Lage vor den Bora-Winden, den orkanartigen Landwinden zwischen der kroatischen und der montenegrinischen Adriaküste, besser geschützt war als Triest, wurde auch eine bedeutende Flugschule für Wasserflugzeuge errichtet. Die „Scuola Idrovolanti“ wurde im Jahre 1934 in Betrieb genommen, später an die „Regia Aeronautica Italiana“ übergeben, woraus sich die „Scuola di pilotaggio di primo periodo e addestramento idro“ entwickelte.
Die italienische Fluggesellschaft „Società Italiana Servizi Aerei“ (SISA) betrieb auch den Wasserflughafen in Triest, den „Idroscalo di Trieste“. Am 1. April hatte die SISA ihre Linienflüge mit Wasserflugzeugen von Triest aus aufgenommen und damit den Grundstein für den regulären, zivilen Luftverkehr in Italien gelegt. Während die Flugboote im April 1926 noch an der Mole festmachten und aus dem Hafenbecken heraus starteten, wurde im September 1926 ein schwimmender Hangar genutzt.
Abbildung: Wasserflughafen von Triest (Idroscalo di Trieste)
Quelle: Großer Luftverkehrs-Atlas von Europa, 3. Auflage,
Verlag für Börsen- und Finanzliteratur, Berlin/Leipzig, 1928
Anfang der 1930‘er Jahre entstand jedoch das Problem, in Triest eine Infrastruktur zu errichten, die den Bedürfnissen des aufkommenden Luftverkehrs gerecht wurde. So wurde bereits im Oktober 1931 mit dem Bau eines „richtigen“ Hangars begonnen, der mit zwölf Schiebetüren versehen, insgesamt 80 Meter lang, 35 Meter breit und 11 Meter hoch war. Zusätzlich wurde ein Kran auf der Seeseite installiert, um Flugzeuge zu wassern bzw. an Land zu hangagieren. Südlich des Hangars wurde ein großes Gebäude errichtet, in dem sich Wartezimmer für Passagiere, Büros und sonstige technische Einrichtungen befanden. Heute existiert der Wasserflughafen in Triest nicht mehr. In dem 1931 errichteten Gebäude hat die Triester Küstenwache, die „Guardia Costiera di Trieste“, ihren aktuellen Sitz.
Der Wasserflughafen in Turin, der „Idroscalo di Torino“, wurde ebenso von der ersten italienischen Fluggesellschaft, der „Società Italiana Servizi Aerei“ (SISA), betrieben und für die Flugroute von Turin nach Triest genutzt. Der Hangar in Turin wurde im Jahre 1926 am Fluß Po zwischen der „Ponte Umberto“ und der „Ponte Isabella“ gebaut und war mit einer Fenstergalerie an den Seiten ausgestattet. Das Bauwerk war auf Stahlbetonmasten im Flußbett fest verankert und mit einem Steg, der zum Ufer des Flusses führte, verbunden. Die Wasserung bzw. das Hangagieren der Flugzeuge erfolgte über eine große Rutsche an der Stirnseite des Gebäudes.
Abbildung: Wasserflughafen von Turin (Idroscalo di Torino)
Quelle: Großer Luftverkehrs-Atlas von Europa, 2. Auflage,
Verlag für Börsen- und Finanzliteratur, Berlin/Leipzig, 1927
Die Eröffnung fand am 1. April 1926 statt. Der Flughafen blieb unter der Leitung der SISA vorerst bis zum Jahre 1942 in Betrieb. Als die SISA und andere italienischen Fluggesellschaften im Rahmen des Zweiten Weltkrieges „militarisiert“ und in die „Servizi Aerei Speciali“ (SAS) überführt wurden, ist der Flugplatz fortan von der „Società Aerea Mediterranea“ betrieben worden. Knapp zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Hangar im Jahre 1954 vollständig abgerissen. Heute erinnert nur noch eine Gedenktafel am Flußufer an den ehemaligen Wasserflugplatz.
Als ab dem Jahre 1913 die ersten Wasserflugzeuge in Europa zum Einsatz kamen, suchte auch das italienische Militär nach einem geeigneten Standort für einen Fliegerhorst. Die Wahl für die italienische Marinefliegerei fiel auf die Lagunenstadt Venedig, die insbesondere wegen ihrer geographischen und topographischen Lage als strategisch vorteilhaft galt. Vorerst entstand auf der venezianischen Basis nur eine Werkstatt und Flugzeugwerft, in der neben der einfachen Montage von französischen Flugzeugen, die von der italienischen Marine gekauft wurden, auch eigene Luftfahrzeugmuster gebaut wurden. Am 25. April 1913 wurde schließlich die italienische Marinefliegerei mit Gründung der ersten Staffel von Wasserflugzeugen in der Lagune geboren. Bereits wenige Monate später veranlaßte die Entwicklung der Luftfahrtaktivitäten die Marine dazu, die Werkstatt und Werft auf eine neue Basis zu verlegen. Dies sollte im Jahre 1914 die Insel Vignole sein, die nur durch einen schmalen Kanal von der Insel Sant'Andrea entfernt liegt. Während des Ersten Weltkrieges wurde der Wasserflughafen von Venedig, der „Idroscalo di Sant'Andrea“, intensiv für Starts und Landungen italienischer und französischer Flugzeuge genutzt. Von Sant'Andrea aus wurden zahlreiche Aufklärungsmissionen und Bombardierungen feindlicher Stellungen geflogen; ebenso erwies sich der Standort inmitten der Lagune im Rahmen der Verteidigung der Stadt als äußerst wirkungsvoll.
Abbildung: Wasserflughafen von Venedig (Idroscalo di Sant'Andrea)
Quelle: Großer Luftverkehrs-Atlas von Europa, 1. Auflage,
Verlag für Börsen- und Finanzliteratur, Berlin/Leipzig, 1926
In Italien verlief die Entwicklung der Zivilluftfahrt aufgrund der schwierigen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen nach dem Ersten Weltkrieg langsamer als im übrigen Europa. Dennoch wurde eine der ersten Fluggesellschaften, nämlich die „Transadriatica“ in Venedig geboren. Die Entscheidung, von Venedig aus zu operieren, war einmal mehr aufgrund der vorteilhaften, geographischen Lage an der Kreuzung der Flugrouten zwischen Ost- und Nordeuropa und den südlichen Alpen sowie zwischen Mitteleuropa und Westeuropa getroffen worden. Weil sich die „Transadriatica“ auf Land-Land-Flugverbindungen beispielsweise nach Wien, Graz und München konzentrierte, nutze sie den Flugplatz Venedig-Lido bzw. „Aeroporto di Venezia-Lido Giovanni Nicelli“, der ursprünglich als „Aeroporto di Venezia San Nicolò“ bezeichnet wurde. So startete am 18. August 1926 das erste italienische Verkehrsflugzeug von San Nicolò über Klagenfurt nach Wien. Der „Aeroporto di Venezia San Nicolò“ war der erste Flughafen Italiens und war bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges - neben dem Flughafen der Hauptstadt Rom - der zweitwichtigste Flughafen für den Passagier- und Frachtverkehr.
Abbildung: Lagekarte Wasserflughafen von Venedig
Quelle: Guide Aéronautique International („Atlas Aéronautique“),
Imprimerie Crété S.A., Paris, 1931
Anders als die „Transadriatica“ konzentrierte sich die Fluggesellschaft „Società Italiana Servizi Aerei“ (SISA) vornehmlich auf Flugverbindungen mit Wasserflugzeugen. Von den Standorten Turin, Pavia, Triest wurde der Wasserflugplatz „Idroscalo di Sant'Andrea“ angeflogen. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde der Wasserflughafen Venedigs sowohl für die militärische als auch für die zivile Luftfahrt mit Flugbooten genutzt. Da jedoch der Landflughafen „Aeroporto di Venezia San Nicolò“ aufgrund der begrenzten Größe der Start- und Landebahn und seiner leicht zu identifizierenden, geographischen Lage keinen strategischen Vorteil bot, wurde die Insel Sant'Andrea bereits in den ersten Kriegsmonaten fortan nur noch militärisch genutzt. Obgleich nach dem Zweiten Weltkrieg keine Flugboote mehr zum Einsatz kamen, verblieb der „Idroscalo di Sant'Andrea“ in militärischer Hand. Die gesamte Insel wurde zu einer Basis der amphibischen Truppen der italienischen Armee, der sogenannten „Lagunari“, umgewandelt.